Es gibt einen seelischen Ausnahmezustand, den die psychiatrische Fachwelt als Dissoziative Fugue bezeichnet. Im Vollbild handelt es sich um eine Flucht (Fugue) aus der gewohnten Umwelt, die nicht der eigenen Kontrolle unterliegt. Da kauft sich z.B. jemand spontan ein Ticket und fährt irgendwo hin. Sein Benehmen ist wahrscheinlich völlig normal, er handelt und spricht unauffällig ohne Anzeichen einer Störung oder Krankheit, nimmt aber gegebenenfalls eine andere Identität, einen anderen Habitus an. Es kann sein, dass er während dieser Reise seine Vergangenheit oder bestimmte Begebenheiten vergessen hat. Nach Beendigung des dissoziativen Zustandes „erwacht“ der Mensch und weiß nicht, wie und warum er dorthin gekommen ist, wo er sich nun befindet. Sowohl die Erinnerungen an das Leben vor als auch während der Fugue können von Amnesie betroffen sein. 

Diesen Ausnahmezustand gibt es natürlich auch in abgeschwächteren Formen. 

Seit Ende der 90er Jahre habe ich viele Kurse von Gerda Bareuther besucht und viel über Geistige Heilweisen, Quantenphysik und Vieles mehr gelernt. Ein zentraler Punkt, der immer wieder bei ihr vorkommt, ist das „sich fügen Lassen“. Etwas ganz fest wollen (und mit dem Gegenteil einverstanden sein) und dann loslassen, damit es sich fügen kann. Die Klanggleichheit von „fügen“ und „Fugue“ brachte mich auf den Gedanken, einmal unter dem Aspekt auf die vermeintliche Störung zu schauen, ob sie nicht auch eine kreative Ausflucht (da steckt die Fugue schon wieder drin) unserer Seele sein kann, um aus einem unerträglichen Zustand, der durch Logik und Grübeln ebensowenig zu lösen ist, wie durch verzweifelte Kraftanstrengungen, in den Raum des „Sich Fügens“ zu gelangen. 

Hier schildert eine Frau ihr „Erwachen“ nach der Fugue:
„Ich saß an einem Novembertag am Küchenfenster mit Blick auf die Berge und dachte so etwas wie: „Und wie um alles in der Welt bin ich ausgerechnet hierher gekommen?“ Mein Verstand wusste es natürlich, es war ein körperlicher und seelischer Prozeß des Erwachens. Im Märchen vom Froschkönig, das auch „Der eiserne Heinrich“ heißt, ist dieser Prozeß wunderbar beschrieben: Es kracht, und der Prinz ruft: „Heinrich, der Wagen bricht!“ Der treue Heinrich antwortet: „Nein, Herr, der Wagen nicht. Es war ein Band von meinem Herzen, das da lag in großen Schmerzen, als Ihr in dem Brunnen saßt, als Ihr eine Fretsche wast.“ Damit nämlich sein Herz ihm nicht aus Kummer bräche, hatte er es in eiserne Bande fassen lassen, die nun nacheinander zersprangen. Genauso fühlte ich mich nun, und das Gefühl der zerspringenden Eisenbänder hielt einige Tage an. Als ich dann mit der wiederhergestellten Einheit von Körper, Geist und Seele meine aktuelle Situation betrachtete, stellte ich fest, dass es sich wunderbar gefügt hat, auf eine Weise, über einen Weg, den ein kontrollieren wollender Verstand, eine ängstliche Vernunft, niemals hätten ausdenken können.“

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